Vier Rednerinnen haben am 24.02.17 in Bünde beim zweiten Frauenmahl in der Kreuzkirche Enningloh zum Thema Mut gesprochen. Frau Dr. Urban hat den ersten Vortrag gehalten. „Als Ärztin, die mit Krebspatientinnen zu tun hat, muss ich nicht ständig, aber im richtigen Moment mutig sein“ – für die ganze Rede bitte auf -mehr- klicken.
„Über die Einladung zum Frauenmahl habe ich mich sehr gefreut. Sie haben das Thema Mut für die heutige Zusammenkunft gewählt.
Mut – in diesen drei Buchstaben steckt die Kraft, die Welt zu verändern. Prägnant kommt das Wort daher. In seinem Umfeld bewegen sich die Tapferkeit, die Klugheit, das Vertrauen, die Entschlossenheit, aber auch die Furcht, die Angst, die Dummheit, die Feigheit, die Waghalsigkeit, die Verzweiflung und die Unsicherheit.
Was zeichnet mutige Menschen aus? Ein mutiger Mensch traut sich was, kann man allgemein sagen. Was er sich traut, kann sehr unterschiedlich sein. Es kann etwas Großes sein oder etwas Kleines. Ein Sprung vom Dreimeterbrett, eine Flugreise, eine Existenzgründung, ein schwieriges Gespräch, ein Heiratsantrag, für die Schwiegermutter zu kochen, eine Rede halten – all das kann Mut erfordern, allerdings nicht immer und nicht von jedem.
Mut ist also eine subjektive Herausforderung. Mut ist auch ein Charakterzug. Er kann angeboren sein, aber auch anerzogen.
Wir stellen fest: Mut ist ein großer Begriff, eine Tugend. Er kommt bewundernswert daher, aber auch versteckt. Man braucht ihn für große und für kleine Herausforderungen. Er kann uns zugesprochen werden, oder er verlässt uns kurz vor dem Ziel.
Sie fragen, was Mut für mich als Ärztin bedeutet.
Mut ist für meinen Beruf sehr, sehr wichtig. Um ein guter Arzt zu sein, muss man selbst Mut haben und anderen Mut machen können. Ein guter Arzt verzweifelt nicht, er weicht nicht aus, er stellt sich den Krankheiten. Er wagt etwas zum Wohl seiner Patienten. Er muss nicht ständig mutig sein. Er muss im richtigen Moment mutig sein.
Vor elf Jahren erforderte es Mut von mir, die Stelle der Programmverantwortlichen Ärztin für das Mammographiescreening zu übernehmen und damit die Verantwortung für die Brustgesundheit von 75.000 Frauen in den Kreisen Herford und Minden-Lübbecke. Ich bin dankbar dafür, dass meine Kollegin Frau Dr. Rudolf den Mut hatte, sich die Aufgabe mit mir zu teilen.
Beinahe täglich müssen wir betroffenen Frauen sagen, dass wir bei ihnen Brustkrebs entdeckt haben. Das erfordert keinen Mut von mir. Meinen ganzen Mut musste ich jedoch aufbringen, um meiner Mutter und meinem Bruder vor über 20 Jahren zu sagen, dass sie unheilbar an Krebs erkrankt waren. Als ich vor einem Jahr meinem Vater dieselbe Nachricht bringen musste, ging es leichter. Daran kann man gut erkennen, wie wandelbar der Mut ist, wie abhängig von der Situation, der Lebenserfahrung, den beteiligten Personen.
Die Radiologie ist ein Fachgebiet, das die Bereitschaft und die Fähigkeit, mutig zu sein, nicht so sehr strapaziert wie andere Disziplinen. Chirurgen und Notfallmediziner müssen mutiger sein als Röntgenärzte. Ihnen werden unter Umständen lebenswichtige Entscheidungen im Minutentakt abverlangt.
Wenn man in die Geschichte der Medizin zurückblickt, ist Werner Forßmann ein Beispiel für persönlichen Forschermut. Er schob sich 1929 im Alter von 25 Jahren über seine Armvene einen Katheter bis ins eigene Herz und legte damit die Grundlage für die Röntgendiagnostik des Herzens. Erst im Jahr 1956 erhielt er für diese mutige Tat den Nobelpreis. Der englische Arzt Edward Jenner infizierte sich selbst 1794 mit Kuhpocken und danach mit echten Pocken, um die Wirkung der Impfung nachzuweisen. Er bekam keine Pocken. Robert Koch impfte sich selbst und seine Frau 1890 mit Tuberkulin, das gegen Tuberkulose schützen sollte. Beide erkrankten schwer an den Nebenwirkungen. Jonas Salk, der Erfinder der Schluckimpfung, probierte den Impfstoff 1954 an sich aus und infizierte sich selbst danach an Kinderlähmung, ohne zu erkranken.
Mut ist für mich das Salz in der Suppe des Lebens. Ohne Mut fehlt dem Leben die Kraft. Mut fordert innere Haltung, Festigkeit, Durchhaltevermögen und Abwägen. Wer mutig ist, wird seine Umgebung zum Guten beeinflussen. In diesem Sinne versuche ich, Entscheidungen nicht auszuweichen, mutig voranzugehen und dadurch ein Vorbild für unsere Kinder und meine Mitmenschen zu sein.“